Griegs Peer-Gynt-Suite gehört seit jeher zu meinen Lieblingsstücken
Lucinda Riley

Lucinda Riley beantwortet Fragen zu Ihrem Roman Die Sturmschwester

Was hat Sie dazu veranlasst, Norwegen und Griegs Musik zu Ibsens Peer Gynt als Hintergrund für Die Sturmschwester zu wählen?

Ich war fünf, als mein Vater von einer Reise nach Norwegen eine Langspielplatte von Griegs Peer-Gynt-Suite mitbrachte. Sie wurde sozusagen zur Hintergrundmusik meiner Kindheit, in der er immer wieder über die Schönheit des Landes, besonders über die Fjorde, schwärmte und mir riet, wenn irgend möglich, selbst einmal hinzufahren. Der Zufall wollte es, dass Norwegen kurz nach dem Tod meines Vaters das erste Land war, das mich zu einer Lesereise einlud. Ich weiß noch, wie ich mit Tränen in den Augen gen Norden flog und dabei wie Ally das Gefühl hatte, den Worten meines Vaters zu folgen. Ich habe Norwegen zahlreiche Male besucht und mich wie mein Vater in dieses Land verliebt. Deswegen stand schon bald fest, dass der zweite Band der Sieben-Schwestern-Serie dort spielen sollte.

Mit welchen Problemen hatten Sie beim Schreiben des zweiten Teils der siebenbändigen Serie zu kämpfen? Und welche Unterschiede gab es zum ersten mit dem Titel Die Sieben Schwestern?

Erst als ich mit Allys Geschichte begann, wurde mir wirklich klar, welche Herausforderung eine so umfangreiche und komplexe Serie ist. Maias und Allys Geschichten spielen in der Jetztzeit, doch zu den historischen Teilen der Romane waren eingehende Recherchen zu bewältigen, und die Chronologie der beiden Bücher musste übereinstimmen. Für die Stellen, an denen Ally sich in Atlantis mit einer ihrer Schwestern unterhält, mussten die jeweiligen Orte und Dialoge überprüft und aufgegriffen werden.

Dazu kommen die Einzelheiten des verborgenen Plots, der als Grundlage für sämtliche Bücher der Serie dient, die Verweise auf die griechische Mythologie und die Anagramme, die sich durch die gesamte Serie ziehen. Das ist ein bisschen, als würde man sich an einem Zauberwürfel, einem Rubik's Cube, versuchen: Die eine Reihe stimmt, aber bei der anderen ist etwas verdreht. Diese Serie ist deswegen intellektuell und kreativ so anspruchsvoll, weil jeder der Romane auch für sich allein stehen kann. Ich musste mir für neue Leserinnen und Leser interessante Gründe ausdenken, warum Pa Salt die Mädchen adoptiert hat, und durfte mich nicht zu sehr wiederholen, weil das diejenigen, die die Geschichte der vorhergehenden Schwester bereits kennen, gelangweilt hätte.

Wie sind Sie an die Recherchen zu den historischen Ereignissen und Kulturikonen von Norwegen herangegangen, die in Die Sturmschwestervorkommen?

Die Sturmschwester basiert auf realen historischen Figuren wie Edvard Grieg und Henrik Ibsen, doch wie sie in dem Buch dargestellt sind, entspringt vollkommen meiner Phantasie. Meine fiktionalen Figuren Anna und Jens agieren vor dem Hintergrund realer Ereignisse.

Meine Freunde bei meinem Verlag Cappelen Damm haben für mich ausgesprochen hilfreiche Kontakte in Norwegen hergestellt. Vieles von Allys Reise in die Vergangenheit überschneidet sich mit meiner eigenen Reise nach Norwegen, bei der ich die Geschichte von Peer Gynt und Grieg für mich entdeckt habe. Manche der Personen, die ich während meiner Recherchen kennengelernt habe, tauchen in dem Roman als sie selbst auf, und ich danke ihnen herzlich dafür, dass ich in meinem Buch ihre realen Namen verwenden durfte.

Erik Edvardson vom Ibsen-Museum war meine erste Anlaufstelle. Von ihm weiß ich, dass Ibsen Grieg seinerzeit gebeten hat, die Musik zu seinem Versdrama zu schreiben, und Erik hat mir Originalfotos von der damaligen Aufführung des Peer Gynt gezeigt. Außerdem hat er mich auf Solveigs Geisterstimme hingewiesen, deren reale Identität bis zum heutigen Tag unbekannt ist. Sie war der Schlüssel zu meiner Vergangenheitsgeschichte. Den gesamten historischen Hintergrund zum norwegischen Leben in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts verdanke ich Lars Roede vom Oslo-Museum.

Ich war zweimal in Bergen und im Grieg-Museum in Troldhaugen, Griegs früherem Haus, und durfte dort sogar an Griegs Flügel Platz nehmen! Wie immer, wenn ich reale historische Personen beschreibe, habe ich auch bei Grieg, diesen für Norwegen und die ganze Welt so wichtigen Komponisten, versucht, der Persönlichkeit gerecht zu werden. In Bergen hatte ich das große Vergnügen, Zeit mit Professor Erling Dahl, einem ausgewiesenen Grieg-Experten und Träger des Grieg-Preises, zu verbringen, der mich höchstpersönlich im Edvard-Grieg-Museum in Troldhaugen herumführte. Außerdem habe ich so viel wie möglich über Grieg und seine Zeitgenossen gelesen und mich eingehend mit der ersten Inszenierung von Peer Gynt beschäftigt. Zum Glück war Grieg ein fleißiger Tagebuch- und Briefeschreiber; nichts bringt einem Menschen näher, als ihre eigenen Worte zu lesen. Einen besseren Einblick in die Zeit kann man nicht bekommen. Trotzdem möchte ich betonen, dass ich Geschichten erzähle und keine Historikerin bin.

Außerdem durfte ich Henning Malsnes vom Philharmonischen Orchester Bergen kennenlernen, der mir die Abläufe in einem solchen Orchester sowie seine Geschichte im Krieg erklärte. Und der angesehene norwegische Komponist Knut Vaage erläuterte mir, wie früher für Orchester komponiert wurde.

Hat sich Ihr Plan für das Ende der Serie nach dem zweiten Teil geändert, oder steht es nach wie vor fest?

Das Ende, bei dem alle Geheimnisse gelüftet werden, steht seit dem ersten Wort fest. Der verborgene Handlungsstrang zieht sich durch die gesamte Serie wie ein unsichtbarer Faden, und ich muss dafür sorgen, dass er in allen Büchern subtil und plausibel bleibt. Nur mein Mann kennt den Inhalt des letzten Buchs, aber der hat mir neulich erklärt, dass er ihn vergessen hat ...!

Wir reisen mit diesem Roman nicht nur nach Norwegen, sondern auch in die Musikwelt von Leipzig. Haben Sie selbst dort recherchiert?

Ja. Leipzig, das gerade dabei ist, wieder zu seinem alten Glanz zurückzufinden, ist eine wunderschöne Stadt. Ich war schon oft in Deutschland, einem meiner Lieblingsländer, um mit meinen Leserinnen und Lesern in Kontakt zu kommen. Grieg hat drei Jahre lang dort studiert, und die Edition Peters, damals und auch später noch sein Musikverlag, der seinerzeit von Max Abrahams, einem engen Freund Griegs, geleitet wurde, befindet sich nach wie vor in Leipzig. Oft ergeben sich beim Schreiben meiner Bücher kuriose Zufälle. Caroline Schatke, eine alte Freundin von mir, die von der Cambridge University nach Leipzig zur Edition Peters gewechselt war, teilte mir eines Tages in einer E-Mail mit, sie sitze momentan in genau dem Gebäude, über das ich gerade schreibe.

Sie erwähnen in diesem Roman wie schon in Ihren früheren Büchern die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?

Der Zweite Weltkrieg ist weniger als achtzig Jahre her, und auch heute noch haben viele Menschen Verwandte, deren Leben davon beeinflusst wurde. Da dieser Krieg die gesamte Weltgeschichte auf schreckliche Weise auf den Kopf stellte, muss sich jeder Roman, der zwischen 1938 und 1945 spielt, egal, in welchem Land, auch damit beschäftigen. Bei meinen Recherchen über die Geschichte von Leipzig und das Elend der jüdischen Bevölkerung hatte ich das Gefühl, dass die Zerstörung der Felix-Mendelssohn-Statue den wesentlichen Moment, nach dem es für die Stadt kein Zurück mehr gab, darstellt. Erhellend war für mich außerdem, was sich während des Kriegs in Norwegen ereignete, weil das kaum bekannt ist.

Interessieren Sie sich immer schon für klassische Musik? Und wie beeinflusst das Ihre Beschreibungen in dem Roman?

Ich hatte vom dritten bis zum sechzehnten Lebensjahr Ballettstunden und bin mit klassischer Musik aufgewachsen. Griegs Peer-Gynt-Suite gehört seit jeher zu meinen Lieblingsstücken, sowohl die Morgenstimmung als auch In der Halle des Bergkönigs sind Gassenhauer der klassischen Musik. Fast jeder kennt sie, sie sind Teil der Populärkultur geworden, weil sie in so vielen Fernsehsendungen, Filmen und Werbespots zu hören sind.

Was ist Ihre schönste Erinnerung an Norwegen? Hat irgendetwas dort Sie dazu bewogen, den ursprünglichen Plan für das Buch zu verändern?

Bei meiner Reise nach Trondheim hat mich am meisten begeistert, die Fjorde und schneebedeckten Berge aus dem Flugzeug zu sehen. Eines Tages, wenn ich Zeit habe, werde ich eine Fahrt mit den Hurtigruten machen, das habe ich mir fest vorgenommen. Aber vor allen Dingen haben mich die herzlichen, gastfreundlichen Menschen beeindruckt, die ich in Norwegen kennenlernte. Ich freue mich schon darauf, sie wiederzusehen.

Wie ist Ally im Vergleich zu ihrem Pendant aus der Mythologie zu sehen? In welcher Hinsicht ist sie moderner?

In der griechischen Mythologie gilt Alkyone, die zweite Schwester, als die Anführerin, und ihr Stern ist einer der hellsten der Plejaden. In den alkyonischen Tagen, in denen die Welt von Freude, Wohlstand und Frieden erfüllt war, wachte Allys griechische Namensvetterin über das Mittelmeer und sorgte dafür, dass die Seeleute es ohne Gefahr überqueren konnten. Für die Leserinnen und Leser der Jetztzeit beschreibe ich Ally deshalb als Anführerin, als mutige, starke Frau, die genau weiß, was sie will. Sie liebt das Meer, hat sich einen Namen als Seglerin gemacht und verliebt sich in Theo Falys-Kings, ein Anagramm für den König von Thessalien (im Englischen King of Thessaly) aus der griechischen Mythologie. Das Amulett gegen den bösen Blick, das Theo ihr kauft, weist sie als Schutzpatronin der Seeleute aus. Und als sie von ihrem Geliebten getrennt wird, endet ihre Geschichte genau wie in der griechischen Sage in einer Tragödie.

In diesem Buch erfahren wir mehr über den mysteriösen Pa Salt. Ist es schwierig, weiter ein Geheimnis um das Ende zu machen, und was halten Sie von den Spekulationen Ihrer Leserschaft dazu auf #WhoIsPaSalt?

Die Theorien zu lesen, macht mir großen Spaß, und über manche muss ich schmunzeln. Natürlich freut es mich, dass meine Leserinnen und Leser so gefesselt von der Serie sind und in den sozialen Netzwerken Mutmaßungen darüber anstellen. Aber außer mir selbst (und meinem Mann, falls er sich noch daran erinnert), kennt niemand die Wahrheit, und es fällt mir nicht schwer, das Geheimnis weiter zu hüten - auch das macht mir großen Spaß.

Am Ende der Sturmschwester erhalten wir einen kurzen Einblick in die Perspektive von Star, der dritten Schwester. Können Sie uns schon verraten, wohin ihre Reise gehen wird?

Star ist eine faszinierende, rätselhafte Figur, in deren Perspektive ich mich gern versenke. Ich bin gerade dabei, ihre Geschichte zu schreiben, die in England spielt. Zur Abwechslung erforsche ich diesmal die Historie und einige Regionen meines eigenen Landes. Was bedeutet, dass dieser Roman zu Hause entsteht, denn ich halte mich immer eine Weile in dem Land auf, über das ich schreibe. Stars Geschichte wird uns vom wilden Kumbrischen Bergland und der rauen Schönheit des Lake District zum ausgelassenen Gesellschaftsleben des edwardianischen London führen.

Was sollten Leserinnen und Leser Ihrer Ansicht nach aus der Sturmschwester mitnehmen?

Es würde mich freuen, wenn sie sich von Allys Stärke und positiver Lebenseinstellung ermutigen ließen. Ally muss in der Sturmschwester so vieles durchmachen. Beim Schreiben der Szenen mit der Fastnet-Regatta und Theos Trauerfeier sind mir selbst ziemlich oft die Tränen gekommen. Ally ist eine sehr willensstarke Frau, und trotz des vielen Leids, das sie erdulden muss, findet sie eine neue Quelle der Inspiration, ein neues Zuhause und eine neue Familie, in der sie das Kind von Theo aufziehen kann. Das entspricht genau der Vorhersage von Pa Salt: In Momenten der Schwäche wirst du deine größte Stärke finden. Das kann ich nur uns allen wünschen.

Zum Buch "Die Sturmschwester"